GerDiA!

Gegen religiöse Diskriminierung am Arbeitsplatz!

Viele Passanten äußerten sich überrascht, dass in Deutschland heutzutage noch derartige, eindeutig dem Geist des Antidiskriminierungsgesetzes zuwiderlaufende Regelungen existieren. Die häufigste Reaktion, die wir erhielten, war dementsprechend: „Unglaube.“ Oder auf sächsisch vorgetragen: „Das gann dor ni woahr sein!“

Newsticker-InstallationWir hatten mit VertreterInnen der örtlichen Linken einen Infostand in die innerstädtische Einkaufsmeile gebaut; davor hatten wir einen fast 25 Meter langen „Newsticker“ ausgerollt, den viele Passanten eingehende begutachteten. Darauf waren Kurzmeldungen über aktuelle Fälle von Kündigungen im Rahmen kirchlicher Einrichtungen notiert. Wer länger stehen blieb, wurde von uns angesprochen, bekam GerDiA-Flyer und bei Interesse auch weiteres Material der gbs in die Hand gedrückt. Wir mussten seltens aktiv auf Passanten zugehen, die meisten kamen neugierig bis entsetzt zu uns, um zu erfahren, was es nun genau mit den Newsticker-Meldungen auf sich habe und wie das sein könne. Zusätzlich hatten einige der zwischenzeitlich 10 HelferInnen an unserem Stand große Pappschilder umhängen, auf denen beispielsweise stand „Gefeuert! Grund: Ich liebe eine Frau.“ / „Abgelehnt! Grund: Ich bin Atheist“ / „Schweigen. Grund: Kein Streikrecht bei der Diakonie“.

Schweigen!Zustimmung kam gerade auch von Menschen, die in Einrichtungen von Caritas und Diakonie arbeiten. Bei uns erschien ein älteres Ehepaar aus BaWü (er katholisch, sie Atheistin). Er hatte vor der Rente Behinderteneinrichtungen geleitet – in Trägerschaft von Kommune, von Caritas und von Diakonie. Ihm war jederzeit schmerzhaft bewusst gewesen, dass er wegen seines Status als Wiederverheirateter peinlich genau auf sein Verhältnis zum Chef zu achten hatte, wenn er nicht spontan einen „Blauen Brief“ bekommen wollte. Er zeigte sich enttäuscht, dass sich in der Hinsicht im kirchlichen Arbeitsrecht nach wie vor nichts geändert habe und empfand das als „Schande“ für seine vormaligen Arbeitgeber.

Dann war da eine Studentin der Sozialpädagogik aus Nürnberg, die frei heraus bekannte, dass sie nur deswegen noch (evangelisches) Kirchenmitglied sei, weil sie befürchte, sonst keine Anstellung in der Region zu finden. Sie sagte, sie wäre froh, wenn Kirchenzugehörigkeit keine (implizite) Voraussetzung mehr sei, um in Kindertageseinrichtungen, Begegnungsstätten und anderen sozialen Institutionen in Trägerschaft der Kirche zu arbeiten. (Dann wollte sie auch bald wissen, ob es nicht in oder um Nürnberg auch eine Regionalgruppe der gbs gäbe…)

Es sei „richtig und wichtig“, auf das Thema hinzuweisen. Das hörten wir sehr oft und wurden bestärkt darin, die Arbeitsbedingungen bei kirchlichen Sozialeinrichtungen publik zu machen und deutlich zu kritisieren. Bemerkenswert war, dass Menschen aller Altersgruppen (16 – 75) erbost oder empört reagierten, wenn sie sich mit den Hintergründen des kirchlichen Arbeitsrechts konfrontiert sahen.

Ein junger Familienvater, mit Frau und Kind unterwegs, äußerte, dass er sich solcherlei weltanschauliche Diskriminierung in Deutschland nicht vorstellen könne, sowas eher in den USA verortet hätte und dass solche Zustände schlicht „unverschämt“ und „nicht mehr zeitgemäß“ seien.

Eine junge Seelsorgerin vom Malteser Orden fand unsere Slogans zu plakativ und verallgemeinernd und vermutete zuerst: „Ihr wollt doch nur die Kirche pauschal angreifen.“ Als wir ihr erläuterten, dass es um die größtenteils vom Staat bezahlten sozialen Aufgaben ginge, die kirchliche Träger übernehmen, lenkte sie ein und fand es „in der Tat beschämend“, wie kirchliche Einrichtungen mit ihren Angestellten umgingen.

Als potentiell vom „Dritten Weg“ der Kirchen Betroffene kamen auch ein schwules und ein lesbisches Pärchen unabhängig voneinander zu unserem Stand; es stellte sich heraus, dass alle vier Personen in sozialen Berufen tätig waren (KindergärtnerInnen, Altenpfleger, Behindertenarbeit); sie zeigten sich in erster Linie erleichtert, dass im Osten Deutschlands die meisten Sozialeinrichtungen nicht in kirchlicher Trägerschaft sind, fanden aber deutliche Worte des Ärgers darüber, dass in anderen Teilen der Republik Homosexuelle quasi keinen Zugang zu gewissen Berufen hätten.

Nach acht Stunden am Info-Stand und dutzenden verteilter Flyer konnten wir ein positives Fazit ziehen: Die Kampagne ist nötig; das Thema in den Medien offenbar bislang zu wenig beachtet; große Teile der Öffentlichkeit auf jeden Fall sensibel für solcherlei Diskriminierung.

Website der bundesweiten Kampagne:
www.gerdia.de

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