Positionen zur Landtagswahl 2014 in Sachsen (3)

Sächsischer Landtag (Foto: Ralf Roletschek, commons wikimedia)

(Bildnachweis: Ralf Roletschek, commons wikimedia)

Am Sonntag, dem 31. August 2014, wird ein neuer Sächsischer Landtag gewählt. Wir wollten von den 55 Dresdner Direktkandidatinnen und Direkt-kandidaten mehr wissen, als im Sachsen-Wahl-O-Mat zu erfahren ist.

Im Folgenden finden Sie unsere Erläuterungen und Positionen sowie die Angaben, welche der Kandidierenden das ähnlich sehen.

III. GESUNDHEIT

1. Patientenrechte: Es sind Fälle bekannt geworden, in denen sich Ärzte aufgrund ihrer individuellen moralischen Ansichten über rechtsverbindliche Patientenverfügungen (PV) hinweg gesetzt haben. Wie werden Sie künftig die Einhaltung von Patientenverfügungen sicherstellen?
„Die Bundesärztekammer und die ZEKO [Zentrale Ethikkommission bei der Bundesärztkammer; Anm.] sind – wie das Bundesministerium der Justiz – daher der Auffassung, dass eine eindeutige Patientenverfügung den Arzt direkt bindet.“ (Quelle: Deutsches Ärzteblatt, Jg. 110, Heft 33–34, 19. August 2013; pdf)
Die Nichtbeachtung einer PV ist, genauso wie eine medizinische Behandlung ohne Einwilligung, eine Straftat gegen die körperliche Unversehrtheit. Dies stellte aufgrund eines Präzedenzfalles im Jahr 2008 die Staatsanwaltschaft Berlin klar. Polizei und Staatsanwaltschaft müssen diesbezüglich sensbilisiert und qualifiziert werden. Zuständige Aufsichtsbehörden hierfür sind das sächsische Innen- bzw. Justizministerium.
Weitere Informationen und Beratungsmöglichkeit beim Humanistischen Verband in Dresden.
Ähnlich sieht das…
Grüne
: Dr. Achim Wesjohann

2. Organspende: Welche Maßnahmen werden Sie zur Sicherstellung des ordentlichen Ablaufs von Organspenden und Transplantationen ergreifen?
Über die Gesundheitsministerkonferenz sind die Länder in der Dt. Stiftung Organtransplantation vertreten, welche die bundesweite Koordinierungsstelle für postmortale Organspenden ist. Das Sächsische Ausführungsgesetz zum Transplantationsgesetz regelt u.a. die Prüfung von Freiwilligkeit und Unentgeltlichkeit von Lebendspenden. Somit ergeben sich angesichts des Handlungsbedarfs auch Steuerungsmöglichkeiten.
Den teilweise berechtigten Vorbehalten der Bevölkerung gegen Organspenden kann nur durch Verfahrens- und Kostentransparenz abgeholfen werden. Denkbar sind hier ein Hinwirken auf die Ausnahme der Transplantationen aus dem System der Fallpauschalen (G-DRG) sowie die Qualifizierung von Polizei, LKA und Staatsanwaltschaften für die Problematik. Zuständige (Aufsichts-) Behörden sind das sächsische Sozial- u. Gesundheits- , Innen- bzw. Justizministerium.
Ähnlich sehen das…
AfD
: Stefan Strauss
Grüne: Valentin Lippmann, Dr. Achim Wesjohann
SPD: Sabine Friedel
Die Linke: Annekatrin Klepsch

3. Selbstbestimmung: Befürworten Sie, Krankenhäusern den Versorgungsauftrag zu entziehen, wenn diese Patientinnen und Patienten die reproduktive Selbstbestimmung aus nicht-medizinischen Gründen verweigern?
Aus einem evangelischen Krankenhaus in Dresden ist uns ein Fall aus dem Jahr 2012 bekannt, in dem einer Patientin ein rechtlich unstrittiger Schwangerschaftsabbruch unter Verweis auf die christliche Trägerschaft und entsprechende Moralvorstellungen verweigert wurde. Die Abweisung einer mutmaßlich vergewaltigten Frau durch zwei katholische Krankenhäuser in Köln im Dezember 2012 hatte eine breite Empörung in ganz Deutschland hervorgerufen. Wir sind der Auffassung, dass solche Häuser nur noch als Privatkliniken betrieben werden dürfen oder die Träger anerkennen müssen, dass ihr Selbstverwaltungsrecht nicht dahingehend interpretiert werden kann, Hilfesuchenden die Behandlung zu verweigern.
Ähnlich sehen das…
Grüne: Valentin Lippmann, Dr. Achim Wesjohann
SPD: Sabine Friedel
Die Linke: Annekatrin Klepsch, Sarah Buddeberg

4. Selbstbestimmung am Lebensende: Werden Sie im Bundesrat eine Verschärfung der Rechtslage in Hinblick auf die Sterbehilfe ablehnen?
Suizidbeihilfe ist keine Straftat, wenn der Entschluss zur Selbsttötung freiverantwortlich ist und die Handlungshoheit beim Suizidenten liegt. Es besteht keine Notwendigkeit, an dieser geltenden Rechtslage etwas zu ändern. Menschen müssen darauf vertrauen können, dass die legale passive und indirekte Sterbehilfe nach ihrem geäußerten oder mutmaßlichen Willen oder nach ihrer Patientenverfügung überall praktiziert wird. Es darf nicht sein, dass sich Menschen das Leben nehmen, weil sie befürchten müssen, dass am Lebensende gegen ihren Willen Leiden künstlich verlängert wird. Die Achtung der Menschenwürde gebietet, dass Menschen in ihrer existentiellen Not nicht ihre Selbstbestimmung verlieren.
Ähnlich sehen das…
AfD: Stefan Strauss
Grüne: Valentin Lippmann, Dr. Achim Wesjohann
SPD: Sabine Friedel, Albrecht Pallas, Marc Dietzschkau, Dr. Eva-Maria Stange
Die Linke: Annekatrin Klepsch, Sarah Buddeberg
FDP: Carsten Biesok

IV. TIERRECHTE

1. Sentience Politics: Wie stehen Sie zu Forderungen, Grundrechte auf (nicht-menschliche) Tiere auszuweiten?
„Sentience“ bezeichnet das Bewusstsein bzw. die Empfindungsfähigkeit – insbesondere die Fähigkeit, Glück und Schmerz, Freude und Leid zu empfinden. Neben Menschen besitzen auch nicht-menschliche Tiere diese Fähigkeit. Presse- oder Berufsfreiheit sind keine Grundrechte, sehr wohl aber das Recht auf Leben, der Schutz der individuellen Freiheit und das Verbot der Folter.
Mit Hilfe eines noch zu schaffenden Verbandsklagerechts könnten Tierschutzorganisationen die Interessen stellvertretend für die betroffenen Wesen wahrnehmen. Im österreichischen Präzendenzfall um Matthias Pan, genannt Hiasl, hatte kein einziges Gericht die Sachfrage, ob der Schimpanse als Person zu betrachten wäre, abgelehnt; es ging lediglich um Verfahrensfragen. In Neuseeland genießen Menschenaffen bereits gewisse Persönlichkeitsrechte.
Ähnlich sehen das…
Grüne: Valentin Lippmann, Dr. Achim Wesjohann

SPD: Sabine Friedel

2. Tierrechte I: Werden Sie sich für ein Verbot von Wildtieren in Zirkussen einsetzen?
Wenn wir fühlenden Wesen Grundrechte einräumen wollen, wie ist es dann zu rechtfertigen, Wildtiere für Belustigungszwecke in Gefangenschaft zu halten, zu dressieren und auszustellen?
Ähnlich sehen das…
Grüne: Valentin Lippmann, Dr. Achim Wesjohann
SPD: Sabine Friedel, Albrecht Pallas, Marc Dietzschkau, Dr. Eva-Maria Stange
Die Linke: Annekatrin Klepsch, Sarah Buddeberg

3. Tierrechte II: Welchen Einfluss werden Sie auf unwürdige Lebensbedingungen von Menschenaffen und anderen empfindungsfähigen Lebewesen in zoologischen Gärten nehmen?
Platz allein garantiert noch kein Wohlergehen, dazu braucht es auch artspezifische Reize und Strukturen. Natürlich aussehende Gehege sind allerdings nicht automatisch tiergerecht, sie erwecken mitunter nur die Illusion natürlicher Lebensräume, um Probleme zu kaschieren. Trotz einzelner Auswilderungserfolge von Nachzuchten muss sich die Einsicht durchsetzen, dass die Erhaltung bedrohter Tierarten hauptsächlich über den Schutz ihrer natürlichen Lebensräume vor Ort zu gewährleisten ist.
Ähnlich sehen das…
SPD: Sabine Friedel, Albrecht Pallas, Marc Dietzschkau, Dr. Eva-Maria Stange

Grüne: Dr. Achim Wesjohann
Die Linke: Annekatrin Klepsch, Sarah Buddeberg

V. BUNDESRAT

Bei den so genannten zustimmungsbedürftigen Gesetzen handelt es sich um solche, die nach dem Gesetzesbeschluss durch den Deutschen Bundestag auch der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, in welchem der Freistaat Sachsen aufgrund seiner Einwohnerzahl vier Stimmen hat. Bei so genannten Einspruchsgesetzen kann der Bundesrat den Vermittlungsausschuss anrufen. Das Abstimmungsverhalten wird in der Praxis durch das jeweilige Landesparlament oder -kabinett bestimmt.

1. Gleichbehandlung: Werden Sie sich über den Bundesrat für eine Abschaffung des „besonderen Tendenzschutzes“ (insbes. § 9 Abs. 2 AGG und § 118 Abs. 2 BetrVG) einsetzen?
Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften haben das gemäß Artikel 137 Abs. 3 der Weimarer Reichsverfassung gewährte und durch Art. 109 Abs. 4 der Sächsischen Verfassung fortgeltende Recht zur selbstständigen Ordnung und Verwaltung ihrer Angelgenheiten. Durch politische Entscheidungen ist über die Jahrzehnte daraus ein Selbstbestimmungsrecht geworden. Wir sind der Auffassung, dass ebenfalls nur politische Entscheidungen vermögen, zuungunsten von Angestellten bestehende kirchliche Sonderrechte („Dritter Weg im Arbeitsrecht“) zu beseitigen.
Die Kampagne „GerDiA“, gegen religiöse Diskriminierung am Arbeitsplatz seitens religiös gebundener Arbeitgeber, vertieft diese Thematik und hält umfangreiche Informationen bereit.
Ähnlich sehen das…
Grüne: Valentin Lippmann, Dr. Achim Wesjohann
SPD: Sabine Friedel, Albrecht Pallas, Marc Dietzschkau, Dr. Eva-Maria Stange
Die Linke: Annekatrin Klepsch, Sarah Buddeberg

2. Justizopfer: Werden Sie sich über den Bundesrat für eine individualisierte Justizopferentschädigung z.B. entsprechend dem zivilen Schadensersatzrecht einsetzen?
Schäden müssen ersetzt werden – das wissen Vertragspartner,  Versicherungen und Zivilgerichte. Kann eine Sache nicht zurückgegeben oder repariert werden, erfolgt der Ersatz in Form von Geld. Lebenszeit kann man nicht zurückgeben, Lebensqualität oder Freiheit erst recht nicht. Warum sollte die Gesamtheit von Bürgerinnen und Bürgern, genannt Staat, nicht nach denselben Prinzipien handeln müssen wie die Bürger untereinander? Dem tatsächlich erlittenen Schaden (Verlust der Arbeit, des Ansehens etc.) muss auch die Entschädigung entsprechen. Eine pauschale „Abgeltung“ nach jetziger Rechtslage widerspricht der gesamtstaatlichen Verantwortung.
Am besten wäre es natürlich, Justizirrtümern vorzubeugen. Landespolitisch hieße dies Personalaufstockung bei Polizei und Justiz. Denn was nützen selbst die sinnvollsten Gesetze, wenn deren Einhaltung nicht überprüft und Verstöße nicht zeitnah geahndet werden können?
Ähnlich sehen das…
AfD: Stefan Strauss
Grüne: Valentin Lippmann, Dr. Achim Wesjohann
SPD: Sabine Friedel
Die Linke: Annekatrin Klepsch, Sarah Buddeberg

VI. PERSÖNLICHE ANSICHTEN

1. Migration: Sind Sie der Auffassung, dass sich im Tod von Flüchtlingen, Asylsuchenden oder Menschen mit Migrationshintergrund auch (integrations-) politisches Versagen widerspiegelt?
Ein Staat muss gemäß moderner politikwissenschaftlicher Auffassungen vor allem die drei zentralen Funktionen Sicherheit, Wohlfahrt und Rechtsstaatlichkeit für seine Bürgerinnen und Bürger leisten. Wann immer ein Mensch unverschuldet zu Tode kommt, wird an einer dieser Säulen gerüttelt. Politisches Handeln muss sich u.a. daran messen lassen, dass sich Menschen nicht nur sicher fühlen können, sondern es auch tatsächlich sind. (vgl. I.3)
Landespolitik kann Flüchtlinge nicht davon abhalten, in untauglichen Booten das Mittelmeer zu überqueren; Entwicklungshilfe dagegen schon. Und der Freistaat Sachsen kann finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen, damit im Rahmen von Kultur- und Bildungsangeboten einerseits für Flüchtlinge und Migranten soziale Kontakte entstehen und andererseits die Bevölkerung Verständnis für die Gründe von Flucht und Migration entwickelt. Wer um die Gleichwertigkeit seiner Mitmenschen weiß, kann deren Tod nicht gleichgültig hinnehmen.
Ähnlich sehen das…
Grüne: Valentin Lippmann, Dr. Achim Wesjohann
SPD: Sabine Friedel, Albrecht Pallas, Marc Dietzschkau, Dr. Eva-Maria Stange
Die Linke: Annekatrin Klepsch, Sarah Buddeberg

2. Werte: Sind Sie der Auffassung, dass sich die Menschen- und Grundrechte aus religiösen Glaubensinhalten ableiten?
„Die Antwort auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts, welche unser Zusammenleben betreffen, wie wir mit Religiosität, mit nicht-religiösen Weltanschauungen, religiös unterlegtem Fundamentalismus, Menschenrechtsverletzungen, der (allzu oft religiös begründeten) Benachteiligung der Frau, Fragen von Bildung und Erziehung versus Indoktrination unserer Kinder und Jugendlichen… Die Antwort auf diese Herausforderungen wird und kann nicht sein, dass wir in unserem Staatswesen und in unserer Gesellschaft das Christentum wieder erstarken lassen. Die Antwort lautet nämlich: Wir brauchen eine säkulare Gesellschaft, welche private Religiosität zulässt, aber keiner religiösen Gruppierung die Verletzung universaler Menschenrechte durchgehen lässt. Das ist mitnichten ein christliches Anliegen. Das ist ein menschliches, ein humanistisches, ein freidenkerisches Anliegen!“ (Valentin Abgottspon, Präsident Freidenker-Vereinigung der Schweiz, Sektion Wallis)
Die gbs Dresden schließt sich dieser Ansicht vorbehaltlos an.
Ähnlich sehen das…
Grüne: Dr. Achim Wesjohann
Die Linke: Annekatrin Klepsch, Sarah Buddeberg

Die Themenkomplexe III bis VI im Spiegel der Parteiprogramme:
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Auswertung Parteien 3-6

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