
(Bildnachweis: Ralf Roletschek, commons wikimedia)
Am Sonntag, dem 31. August 2014, wird ein neuer Sächsischer Landtag gewählt. Wir wollten von den 55 Dresdner Direktkandidatinnen und Direkt-kandidaten mehr wissen, als im Sachsen-Wahl-O-Mat zu erfahren ist.
Im Folgenden finden Sie unsere Erläuterungen und Positionen sowie die Angaben, welche der Kandidierenden das ähnlich sehen.
I. GESELLSCHAFT
1. Förderpolitik: Was werden Sie unternehmen, damit alle in Sachsen lebenden Menschen ihren kulturellen Neigungen diskriminierungsfrei nachgehen können und öffentliche Förderung für diese Aktivitäten finden?
Hier war Kreativität gefragt. Im Wesentlichen stellt die Frage auf eine solide und verlässliche, d.h. Planungssicherheit ermöglichende Finanzierung kultureller Angebote bzw. deren Träger ab. Stichwort Soziokultur: Das ist zwar ein kommunales Thema, bietet aber die meisten Möglichkeiten zur kulturellen Enfaltung, wobei die konkreten Angebote basisdemokratisch entschieden werden.
Ein Negativbeispiel aus Dresden sei noch kurz skizziert: Nachdem das erste Philosophiefestival „Denkfiguren“ im Jahr 2012 ein durchschlagender Erfolg mit bundesweiter Medienpräsenz war, musste es im Folgejahr mangels öffentlicher Förderung ausfallen. Dem Anschein nach sollte getestet werden, ob das Festival nicht auch ohne Fördermittel auskomme.
Ähnlich sehen das…
SPD: Sabine Friedel, Albrecht Pallas
Grüne: Dr. Achim Wesjohann
Die Linke: Annekatrin Klepsch, Sarah Buddeberg
2. Gewaltprävention: Wie werden Sie sich für Integrationskurse, Sozialarbeit und schulische Lerninhalte zur Prävention gegen Gewalt „im Namen der Ehre“ und Zwangsverheiratung einsetzen?
Straftaten gegen das Leben, gegen die körperliche Unversehrtheit und gegen die sexuelle Selbstbestimmung sind durch nichts zu rechtfertigen; auch nicht durch kulturelle Prägung oder Religion. Die Einhaltung dieser Grundsätze muss nicht nur sichergestellt werden, sie selbst müssen auch in den Bildungseinrichtungen vermittelt werden. Daneben gilt es, freie Träger der Präventionsarbeit sowie der Opferhilfe verlässlich zu finanzieren.
Ähnlich sehen…
Grüne: Valentin Lippmann, Dr. Achim Wesjohann
SPD: Sabine Friedel, Albrecht Pallas, Marc Dietzschkau, Dr. Eva-Maria Stange
Die Linke: Annekatrin Klepsch, Sarah Buddeberg
FDP: Carsten Biesok
3. Verdachtsunabhängige Personenkontrollen: Welche Maßnahmen schlagen Sie vor, um Polizeibedienstete für „Racial Profiling“ zu sensibilisieren und diesem vorzubeugen?
Wenn Innenpolitiker von einer Erhöhung der „subjektiven [gefühlten] Sicherheit“ sprechen, bedeutet dies im Ergebnis keinen tatsächlichen Nutzen; vielmehr sind verdachtsunabhängige Personenkontrollen ordnungspolitische Placebos. Wenn allein nach dem äußeren Erscheinungsbild (nicht-weiße Hautfarbe, Fremdsprache) PassantInnen ausgewählt werden, stellt dies zudem eine unzulässige Diskriminierung dar. Abgesehen von der allgemeinen Abschaffung dieser Praxis muss mindestens mit entsprechender Aus- und Weiterbildung sowie Dienstanweisungen dieser Form von Willkür entgegnet werden. Man bedenke die negative Vorbildfunktion: „Siehste, die Polizei traut ‚den Ausländern‘ ooch nich.“
Ähnlich sehen das…
Grüne: Valentin Lippmann, Dr. Achim Wesjohann
SPD: Sabine Friedel, Albrecht Pallas, Marc Dietzschkau, Dr. Eva-Maria Stange
Die Linke: Annekatrin Klepsch, Sarah Buddeberg
FDP: Carsten Biesok
4. Gesellschaftliches Miteinander: Was werden Sie unternehmen, um Diskriminierung von und Vorbehalte gegenüber trans- und intersexuellen Menschen abzubauen?
Information und Kennenlernen sind Voraussetzungen für den Abbau von Vorurteilen. Alle Möglichkeiten müssen dafür genutzt werden – von der Kita bis zur Seniorenbegegnungsstätte. Schwerpunkte sind dabei die Schaffung und Unterstützung von Multiplikatoren wie PädagogInnen, SozialarbeiterInnen sowie deren Trägern und auch ÄrztInnen. Denn letztere greifen noch immer viel zu schnell zum Mittel der genitalangleichenden Operation bei Neugeborenen.
Ähnlich sehen das…
Grüne: Valentin Lippmann, Dr. Achim Wesjohann
SPD: Sabine Friedel, Albrecht Pallas, Marc Dietzschkau, Dr. Eva-Maria Stange
Die Linke: Annekatrin Klepsch, Sarah Buddeberg
5. Feiertagskultur: Die Einschränkungen an so genannten „Stillen Feiertagen“ (Verbot von Tanz- und Sportveranstaltungen, Film- und Theateraufführungen sowie Demonstrationen) werden von der Mehrheit der Gesellschaft nicht mehr akzeptiert. Wie werden Sie sich für die Abschaffung der vorgenannten Einschränkungen einsetzen?
„Ich lass‘ dich beten, lass du mich tanzen.“ Gegenseitige Rücksichtnahme stellen wir nicht infrage. Angesichts der Tatsache, dass 75% der sächsischen und sogar 80% der Dresdner Bevölkerung konfessionsfrei sind und den meisten (Taufschein-) Christen der Sinngehalt „ihrer“ Feiertage weder bekannt noch von Bedeutung ist, stellt die derzeitige Feiertagsgesetzgebung aus unserer Sicht einen nicht zu rechtfertigenden Anachronismus dar.
Ähnlich sehen das…
Grüne: Valentin Lippmann, Dr. Achim Wesjohann
SPD: Sabine Friedel, Albrecht Pallas, Marc Dietzschkau
Dir Linke: Annekatrin Klepsch, Sarah Buddeberg
6. Parität: In welche Gremien und Anhörungen werden Sie künftig auch dezidiert säkulare oder Vertreter/-innen der humanistischen Weltanschauung einbeziehen?
Während den jeweiligen „Beauftragten beim Freistaat Sachsen“ von evangelischer wie katholischer Kirche die Entwürfe von Gesetzen und Verordnungen regelmäßig zur Abgabe von Stellungnahmen vorgelegt werden, während Religionsvertreter im mdr-Rundfunkrat das Programm mitbestimmen, während Caritas- und Diakonievertreter stellvertretend für alle Sozialträger angehört und repräsentiert werden, bleiben Konfessionsfreie und Humanisten bislang unbeachtet. Diese Diskriminierung abzubauen, kann nicht unter Verweis auf den geringen Organisationsgrad in HVD, IBKA oder gbs verweigert werden. Ein religiös bzw. weltanschaulich neutraler Staat muss alle Wertegemeinschaften gleichermaßen anhören und einbeziehen.
Ähnlich sehen das…
Grüne: Dr. Achim Wesjohann
Die Linke: Annekatrin Klepsch, Sarah Buddeberg
SPD: Albrecht Pallas, Marc Dietzschkau, Dr. Eva-Maria Stange
FDP: Carsten Biesok
7. Staatskirchenrecht: Werden Sie für die Abschaffung der im Jahr 1803 auf Lebenszeit der betroffenen Kleriker vorgesehenen, nunmehr auf Gewohnheitsrecht bzw. Staatsverträgen beruhenden Staatsleistungen an die evangelische und katholische Kirche eintreten?
Ganz recht: Die Staatsleistungen waren nie als dauerhafte Zahlungen vorgesehen. Durch Konkordat bzw. Staatsvertrag, die größtenteils grundgesetzliche Selbstverständlichkeiten wie die Religionsfreiheit das kirchliche Selbstverwaltungsrecht beinhalten, wurden sie jedoch derart gestaltet, dass man im Zivilrecht von „Knebelverträgen“ sprechen würde: Sie können nicht gekündigt, sondern nur im gegenseitigen Einvernehmen („Freundschaftsklauseln“) geändert werden.
Ob mit juristischen oder politischen Mitteln, durch Ablösesumme oder rückwirkende Aufrechnung – kein Steuerzahler darf mehr zur Finanzierung der Kirchen gezwungen werden!
Die Trägerschaft von kirchlichen Kitas, Schulen, Krankenhäusern, Pflege- und Beratungseinrichtungen wird von der Abschaffung der Staatsleistungen übrigens nicht betroffen: Diese werden, wie bei allen so genannten „freien Trägern“, dem Subsidiaritätsprinzip folgend aus den Mitteln für soziale Dienste, Kranken- und Pflegekassen finanziert. Jegliche andere Darstellung dient der Aufrechterhaltung der Caritas-Legende.
Ähnlich sehen das…
SPD: Sabine Friedel, Albrecht Pallas, Marc Dietzschkau
Grüne: Dr. Achim Wesjohann
Die Linke: Annekatrin Klepsch, Sarah Buddeberg
8. Rechtsgrundlagen: Sehen Sie einen Widerspruch zwischen Artikel 109 Abs. 4 (i.V.m. Art. 138 Abs. 1 WRV) und Artikel 112 Abs. 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen?
Die Artikel der Weimarer Reichsverfassung zum Staatskirchenrecht sind in das Grundgesetz und in die Sächsische Verfassung eingebunden, darunter auch das Gebot zur Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen auf der Grundlage eines Bundesgesetzes. Artikel 112 Abs. 1 der Sächs. Verfassung wiederum bekräftigt eben jene Staatsleistungen. Selbstredend ist das ein Widerspruch, auch wenn es ein solches Bundesgesetz noch immer nicht gibt. Interessant ist, wie beiläufig dieses als einziges Thema im Buch der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung „Die Sächsische Verfassung – Einführung und Erläuterung“ ausgelassen wird.
Ähnlich sieht das…
SPD: Sabine Friedel
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