Da es den Vormittag über noch nieselte, wirkte das Wetter zuerst nicht besonders einladend, was sich aber bald änderte und es den Rest des Tages trocken blieb. Um 14.00 Uhr trafen wir uns vor dem Kino. Der Aufbau des stiftungseigenen Pavillons mit Tresen, Rückwand und Fahne dauerte recht lange.
Ab 15.00 Uhr startete die missionsfreie Kinderbetreuung, welche aber nur von wenigen in Anspruch genommen wurde. Gleichzeitig wurden die „Gesichter des gegenwärtigen Humanismus“ per Beamer auf eine Leinwand projiziert. Alle Fotos stammen von Evelin Frerk, die ebenfalls anwesend war und jeden, der sich fotografieren ließ, gern in die Galerie mit aufnahm.
Los geht’s!
Um 17.00 Uhr wurde die Religionfreie Zone mit einer Lesung von Michael Bittners Essays und Kolumnen in einem Kinosaal eröffnet. Er erzählte von den Binsenweisheiten des Dalai Lama wie: „Wir müssen uns im Klaren darüber sein, dass das Leben keine leichte Angelegenheit ist.“ oder „Nehmen Sie doch einfach das Heilmittel.“ (Ratschlag für Kranke) und davon, wie er – natürlich nicht tatsächlich – in einer Kirche von der Kanzel „Gott ist tot“ gesagt habe und dann im Krankenhaus wieder aufgewacht sei.
Im Anschluss las Wolfgang Klosterhalfen aus seinem Buch, der „Reimbibel“ vor. Diese beschäftigt sich mit verschiedenen Geschichten der Bibel und thematisiert sie auf satirische Weise in Balladen und rhythmischen Versen:
„Sag mir, Adam, wo du bist!
Warum hast du dich verpisst?“
(Logisch ist die Frage Mist,
weil der Herr allwissend ist.)
Adam drauf: „Ich bin ganz nackt,
darum hat mich Furcht gepackt.“
Das „Ferkel-Buch“
Um 19.00 Uhr las einer der prominentesten Gäste, Michael Schmidt-Salomon, sein bekanntes religionskritisches Kinderbuch „Wo bitte geht’s zu Gott? Fragte das kleine Ferkel“ vor. Das Buch handelt von einem Ferkel und seinem Freund dem Igel, die auf einem Plakat lesen: „Wer GOTT nicht kennt, dem fehlt etwas.“ Da sie diesen „Gott“ nicht kennen, machen sie sich auf die Suche nach ihm und besuchen dabei einen Rabbi, einen Bischof und einen Mufti.
Der Rabbi erzählt ihnen die Geschichte von der Sintflut bei der Gott alles Leben auf der Erde vernichtete. Ferkel und Igel sind entsetzt: „Alles Leben?! Alle Menschenbabys, alle Omas und alle Tiere? Auch die Ferkel, die Igel, die Schmetterlinge und die kleinen Meerschweinchen?“
In der Kirche erschrecken sie sich vor Jesus, der blutend mit Nägeln ans Kreuz geschlagen ist („Aua, tut das nicht furchtbar weh?“). Auch, dass das Ferkel einige Hostien nascht, passt dem Bischof gar nicht: „Um Himmels Willen, was tust du da?“, und erklärt: „Das ist das Fleisch Jesu, der sich für uns geopfert hat.“ „Sofort weg hier!“, meint das Ferkel, „Das sind Menschenfresser!“
In der Moschee wird der Mufti wütend, weil das Ferkel sagt, dass Mohammed seine Anhänger auf den Arm genommen haben könnte. Als die beiden fliehen wollen, tauchen plötzlich der Rabbi und der Bischof auf, die ihnen den Teufel austreiben wollen. Da die drei Männer sich aber nicht entscheiden können, wer es am besten kann und beginnen sich zu prügeln, können Ferkel und Igel entkommen.
Zu Hause kommen sie zu der Erkenntnis, dass ihnen ohne Gott nur die Angst gefehlt habe und sie auch sehr gut ohne leben können. So schließt die Geschichte mit den Worten
Und die Moral von der Geschicht’
Wer Gott nicht kennt,
der braucht ihn nicht.
Im Anschluss stellte sich der Autor den Fragen des Publikums. Auf die Frage, warum das Buch denn, hätte verboten werden sollen, wie das Bundesministerium für jugendgefährdende Schriften es vorgehabt hatte, nannte Schmidt-Salomon die Darstellung von Gewalt und der Unterstellung eines Mordversuches, in Verbindung mit Antisemitismus, was für viele spöttische Lacher sorgte. Einerseits dürften sämtliche Kinderbibeln weitaus drastischere Formen von Gewalt zeigen als die harmlose Rauferei zwischen den drei Gottesdienern am Schluss und andererseits könnte der Rabbi, der dem Bischof die Thora vor das Gesicht hält, diesen wohl kaum mit Pergament ersticken könnte – noch dazu, wo man die Nasenlöcher des Bischofs sieht.
Schmidt-Salomon erklärte weiterhin, der Dialog zwischen dem Rabbi und Ferkel und Igel gehe auf seinen Sohn zurück, dem man die Sintflut-Geschichte im Kindergarten beigebracht habe, und der zu Hause verstört gefragt hatte, warum denn die armen Meerschweinchen hätten sterben müssen. Auch die Reaktion auf den gekreuzigten Jesus beschrieb er mit dem häufig anzutreffenden verängstigten Verhalten von Kindern.
Religion + Rediculous = Religulous
Um 20.00 Uhr zeigte das Kino den Film Religulous – Man wird doch wohl fragen dürfen. Der Film (2008) ist eine satirische Dokumentation mit Bill Maher, den man am ehesten als amerikanischen Harald Schmidt bezeichnen könnte. Er – selbst halb jüdisch, halb katholisch – trifft auf Homoheiler, Kreationisten, gläubige Wissenschaftler, Sektengurus, Mormonen und Juden, die das Sabbatgebot umgehen wollen.
Die gut besuchten Lesungen, der Film und ihre witzigen Einlagen, die allseits für heitere Stimmung sorgten, machten den ersten Tag unvergesslich.
Eine besondere Note erhielt der Event allein durch die Lage des Kinos. Es liegt direkt an einer größeren Kreuzung, auf der auch Straßenbahnen fahren. Eine Haltestelle ist sogar direkt vor dem Eingang, so dass jeder Passagier einen guten Blick auf uns hatte.
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