Donnerstag, 2. Juni

Das Wetter wurde von Tag zu Tag besser. Auch der Aufbau des Pavillons klappte nun doppelt so schnell wie vorher. In der großen Eingangshalle hatten zwei unserer Mitglieder ein Plakat, einige Fossilien und Schädel aufgebaut, um so Interessierten die Evolution und ihre Prinzipien näher zu bringen. Am Abend kam ein junger Kreationist vorbei, mit dem man sich zwar angeregt unterhalten, ihn aber nicht überzeugen konnte, dass die Erde mehr als nur ein paar Tausend Jahre alt sei.

Recht früh hatte ein interessiertes Ehepaar angefangen mit uns zu reden. „Sie können aber auch nicht beweisen, dass es keinen Gott gibt.“, hörte ich die Frau noch sagen. „Das ist auch nicht unsere Aufgabe.“, entgegnete einer von uns. „Wenn ich behaupte, dass im Weltraum eine Teekanne rumfliegt, können Sie das ja auch nicht widerlegen“, ergänzte ich noch. Ein Argument, das offenbar traf, denn sie sagte nichts mehr.

Etwas später waren mehrere junge Christinnen aufgetaucht. Eine von ihnen stürmte unvermittelt an den Tresen und brüllte beinahe: „Jeder soll seine Religion haben wie er will!“ – „Solange sie niemandem aufgezwungen wird.“, antwortete ich. „Wird ja nicht!“, rief sie. „Doch.“, meinte einer von uns. „Nee! Ganz sicher nicht!“, schrie sie und rannte zu ihren Freundinnen zurück, die kurz darauf gingen. Die vielen lachenden Gesichter beim Stand sprachen eine eindeutige Sprache.

In der Schauburg

Um 16.00 Uhr wurde der Film „Die hasserfüllten Augen des Herrn Deschner“ von Ricarda Hinz gezeigt. Er thematisiert die Arbeit des Kirchenkritikers Karlheinz Deschner bzw. die kontroversen Meinungen über ihn und setzt sich aus vielen Interviews kirchlicher Würdenträger und Mitarbeiter, sowie kritischer Philosophen, Soziologen und anderen zusammen. Das Besondere daran ist, ist, dass die Fragesteller niemals das Wort ergreifen, sondern den Ausführungen der Interviewten freien Lauf lassen. In gekonnter Schnittabfolge aus pro und contra entsteht so eine Art Streitgespräch, das in der Realität nie hätte, stattfinden können. Mehrfach kommen die bekannten Theologen Uta Ranke-Heinemann und Manfred Lütz, aber auch der Lektor von Deschners Büchern Hermann Gieselbusch zu Wort. Viele, teils bittere, Lacher gab es als Manfred Lütz die Hexenverfolgung durch die Kirchen leugnete oder ein Theologe auf Deschners Thesen barsch mit „2000 Jahre Liebe!“ antwortete. Nach dem Film beantwortete Ricarda Hinz Fragen aus dem Publikum. Da der Film nie den Weg ins Fernsehen schaffte, war der Begründung ein spezielles Interesse gewidmet. Eines der neueren Argumente, warum man den Film nicht mehr ausstrahlen wollte, sei das Alter (der Film ist von 1998) so Frau Hinz. Im Anschluss wurde sie zu ihrer Überraschung zum Ehrenmitglied von GeFAHR e.V. erklärt.

Leibniz war kein Butterkeks

Zwei Stunden nach Beginn des Films, war wieder Michael Schmidt-Salomon an der Reihe. Er stellte sein neuestes Buch „Leibniz war kein Butterkeks“ vor. Einleitend berichtete er, wie es zu dem Buch gekommen sei. Seine damals neunzehnjährige Tochter Lea war zu ihm ins Arbeitszimmer gekommen und hatte sich bei ihm beschwert, dass sie, wenn sie miteinander über philosophische Themen sprachen, fast alles verstand, aber nichts kapierte, was er in seinen Büchern schrieb. Da hatte er die Idee, eines mit ihr zu schreiben. Das Buch behandelt viele der so genannten Großen Fragen wie: Was können wir wissen?, Ist alles vergänglich? und Ist es vernünftig, immer vernünftig zu sein? Schmidt-Salomon las aus dem ersten Kapitel (Gibt es einen Grund dafür, dass wir existieren?) vor, da dies auch die erste Frage seiner Tochter war und gab anschließend einen Überblick über die anderen Kapitel.

Carsten Frerk

Den krönenden Abschluss des Abends bildete Carsten Frerks Mit-Mach-Vortrag zum Thema Kirchenfinanzen. Vor seinem Vortrag wurden einige laminierte Blätter ausgeteilt, auf denen verschiedene Millionen- und Milliardenbeträge standen, an Leute im Publikum verteilt. In lockerem Ton sprach er dann von den Geldern, die an die Kirchengehen und ihrem zum Teil rechtswidrigen Zustandekommen. Alle paar Minuten hielt er inne, fragte in die Runde, wie viel wohl eine bestimmte Staatsleistung kosten würde und bat diejenigen, die meinten den richtigen Betrag auf ihrem Blatt zu haben, dieses hoch zu halten. Sobald er den richtigen Betrag sah, schlug er mit einem Stab eine Triangel an und verkündete laut das richtige Ergebnis. So zahle der Staat jährlich insgesamt 19,3 Milliarden Euro. Das Argument „Die Kirchen tun ja so viel Gutes.“, das häufig auch von glaubensfernen Menschen benutzt wird, konnte er widerlegen.

„Der kirchliche Anteil an Caritas und Diakonie liegt bei 1,8%.“, so Frerk. Zum Kirchentag merkte er mit: „25, 25, 25“ an, dass in jeder Sekunde über zwei Dutzend Euro vom Staat ausgegeben würden. Außerdem erzählte er die skurrile Geschichte von der staatlichen Schule in einem Dorf in Norddeutschland, die nach ihrer Schließung während der Sommerferien sofort in eine kirchliche Schule umgewandelt wurde (94% der Personalkosten zahlte das Bundesland). Da im Gründungskuratorium der Schule verschiedene kirchliche Würdenträger, der Landrat und der Chefredakteur der Regionalzeitung waren, konnte der Wiederaufbau der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Dorfkirche mit dem Verweis auf den stadtbildprägenden Charakter und dem „würdigen“ Rahmen für kommende Abitur-Feiern leicht angekurbelt werden. „Merke: Eine konfessionelle Schule kommt selten allein,“ schloss Frerk.

Am Infostand

Indes war am Stand ein junger Christ aufgetaucht, mit dem sich nicht reden ließ. Er  bestritt die Grausamkeiten die in der Bibel stehen und erklärte, dass alles andere nur falsche Interpretationen seien. Erst nachdem ihm jemand die entsprechenden Stellen per Handy im Internet gezeigt hatte, beruhigte er sich. Ich fragte ihn später, ob er denn an die Dreifaltigkeit glaube. Er überlegte und versuchte unsicher eine klare Definition aufzustellen. Da er noch überlegte, schritt ich ein: „Ich denke nicht, dass du die Dreifaltigkeit beschreiben kannst. Ich habe mal einen Kardinal davon sprechen hören und der hat sich auf die Phrase „Geheimnis des Christentum“ zurückgezogen.“ Der Junge schwieg und wechselte dann das Thema. Als es um die Verflechtungen zwischen Staat und Kirche ging, antwortete er auf die Aussage „Kirche und Staat sind getrennt.“ – „Wo steht das?“ Aussagen solcher Art waren glücklicherweise selten, denn ein Gespräch bei dem die Teilnehmer einem so unterschiedlich hohen Kenntnistand hatten, funktionierte auf Dauer kaum.

Ein Argument, das uns im Streit um das Staat-Kirche-Verhältnis immer wieder von Kirchentagsbesuchern entgegengehalten wurde, war, dass wir uns ja an den Staat und nicht an die Kirchen richten müssten, da sie in diesem Zusammenspiel ja nur passive Akteure seien. Als ob die Kirchen geradezu Opfer ihrer Bervorteilung geworden wären. In einem anderen Gespräch über Evolution erläuterte ich noch die Strategie, mit der viele Kreationisten vorgehen: Wenn zwischen zwei Arten (A, E) ein Übergang (C) fehlt, er also noch nicht gefunden wurde, sprechen sie von einem Missing Link. Wird der Übergang gefunden, hat man in den Augen der Kreationsisten gleich zwei neue Missing Links (B, D), die fehlen.

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