Freitag, 3. Juni

Das prächtige Wetter hielt weiter an. Bevor es zum Kino ging, mussten noch neue Aufkleber besorgt werden. Danach begann man in einer kleineren Runde über das Leitbild, die Ziele und kommenden Vorhaben des Vereins zu informieren.

Ich blieb am Stand und bekam so eine Unterhaltung mit, in die ich mich einklinkte. Eine Teenagerin (es waren immer bemerkenswert viele junge Leute an unserem Stand) sagte gerade: „Die Kirchen haben ja auch Seniorenheime.“ „Aber Caritas und Diakonie werden zum Beispiel nur zu 1,8% von den Kirchen finanziert, den „Rest“ gibt der Staat.“, erwiderte ich. „Hmm…das kann ich irgendwie nicht so ganz glauben.“, antwortete sie, wenn auch nicht sehr überzeugt. Ich seufzte: „Das hören wir auch nicht zu ersten Mal.“ „Lies einfach mal dieses Buch“, meinte mein Nebenmann und reichte ihr Carsten Frerks „Violettbuch Kirchenfinanzen“. „Na ja…“, fing sie, den Klappentext lesend an, langsam an. „Hast du schon mal was vom Dunning-Kruger-Effekt gehört?“, fragte ich. Sie Verneinte. „Ist jetzt womöglich etwas hart ausgedrückt, aber er beschreibt das Verhalten inkompetenter Personen das eigene Wissen zu überschätzen und tatsächlich kompetenten Personen die Fähigkeiten abzusprechen. Dieser Mann“, ich tippte auf das Buch, „arbeitet seit über zwölf Jahren daran die Zahlen heraus zu bekommen und weiß vermutlich mehr als die allermeisten Kirchenmitarbeiter. Denkst du wirklich, du weißt mehr als er?“ Sie schwieg einen Moment. Anscheinend leuchtete mein Argument ihr ein. „…na gut.“, meinte sie, „Ich werde mich auf jeden Fall informieren.“ „Tu’ das“ sagte ich aufmunternd. Sie sah sich noch einen Augenblick unsere Broschüren an und verabschiedete sich.

Caritas und Diakonie

Um 17.00 Uhr begann die Diskussion Caritas und Diakonie – Ist Wohlfahrt ohne Kirche möglich? Als Gäste Teilnehmer waren Dr. Heidi Knake-Werner (Volkssolidarität Berlin), Michael Bauer, (Humanistisches Sozialwerk Bayern) und Katja Kipping, (MdB, Die Linke) geladen. Selbstverständlich hatte man auch Caritas und Diakonie geladen, doch hatte beide Organisationen abgesagt, so dass die Diskussion nicht all zu viel Schwung bekam. Am Ende stellten sich die Redner wie immer den Fragen des Publikums. Jemand, der sich gemeldet hatte, gab sich als Diakonie-Mitglied zu erkennen und warf Herrn Bauer Unfairness in der Betrachtung der kirchlichen Einrichtungen vor. Bauer konterte damit, dass die Kirchen Leute, die bei ihm gearbeitet hatten und danach in christlichen Einrichtungen, unter Druck setzten und sie ausfragten, weshalb sie nicht gleich zu ihnen gekommen seien.

Gäste

Zwei Stunden später begann „Pantomime – Best of Ralf Herzog“. Ohne einen Mucks unterhielt der berühmte Pantomimist sein Publikum, das zum Ende mit eingebunden wurde und Anweisungen für den improvisierten Teil seiner urkomischen Show gab.

Die Diskussion mit dem Journalisten Matthias Matussek, der evangelischen Pastorin Anke Well, dem Direktor a.D. des Hannah-Arendt-Instituts Prof. Dr. Dr. Dr. h. c. Gerhard Besier und den beiden GeFAHR-Mitgliedern Sacha Hanig und Falko Pietsch begann um 20.00 Uhr. Die Diskussion war ein hartes Wortgefecht, deren Ruhephasen nur sporadisch vorkamen. Nach der Diskussion signierte Matussek einige seiner mitgebrachten Buch Exemplare.

Zurück am Infostand

Am Abend rief noch jemand mit einem Bier in der Hand: „Ihr Faschos!“ Tags darauf sagte mir einer von uns, dass man ihn gefragt habe, ob wir Kommunisten seien. Ein klassisches und trauriges Beispiel dafür, wie man persönliche Feindbilder miteinander verknüpfen kann.

Später hatten wir noch eine Diskussion mit einem Mann, der absolut nichts gegen die Kirchen kommen ließ. Die Verstrickungen zwischen der Kirche und dem Nazi-Regime leugnete er und behauptete sogar es wäre „antichristlich“ gewesen. Weder das Bekenntnis zum positiven Christentum im Parteiprogramm der NSDAP, noch die Worte auf den Koppelschlössern der Deutschen Wehrmacht konnten ihn überzeugen.

Im Nachhinein fielen mir noch mehrere Dinge ein, die man hätte nennen können: Die rassistisch-antisemitische Strömung der „Deutschen Christen“, das Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben, in dem viel namhafte Bischöfe, Kirchenräte und Intendenten vertreten waren sowie die „Rattenlinien“, bei denen der Vatikan vielen Nazis zur Flucht nach Südamerika verholfen hatte.)

Deshalb versuchten wir ein anders Thema. Dass Krakenhäuser vollkommen ohne kirchliche Hilfen auskommen, die Kirchen aber entscheiden dürfen, wer dort arbeitet, ließ ihn ebenfalls kalt. Auch die Tatsache, dass es viele Menschen im Arbeitsbereich Pflege und Betreuung vor allem in Süddeutschland sehr schwer haben als Konfessionsfreie eine Stelle zu bekommen, war ihm egal. Auf die Frage, ob eine christliche Weltsicht wichtiger sei als gute Arbeit zu verrichten, antwortete er gequält, dass das Leitbild eben zu beachten sei. Als er danach meinte, er wolle einmal „den Spieß umdrehen“, zeigte sich seine Ahnungslosigkeit gegenüber Atheisten. Wir hätten ja auch unsere absoluten Überzeugungen und Dogmen. Unsere Erklärung des wissenschaftlichen Grundprinzips der Falsifikation und der daraus resultierenden vorsichtigen Haltung gegenüber dem aktuellen Wissensstand brachten ihn einen Moment zum Schweigen. Ich kam noch einmal auf Caritas und Diakonie zurück und meinte, die „Bewahrung der Schöpfung“ würde doch an sich schon enden sobald Nichtchristen viel weiter zur Arbeit fahren müssten, nur weil sie dem „Leitbild“ nicht entsprächen. „Ja, die Kirchen sind ja soo böse!“ blaffte er mich gehässig an. Für mich war die Diskussion damit beendet.

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